Dominik Toplek und Heidi Achammer
Da trat Petrus zu ihm und fragte: „Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal?“ Jesus sagte zu ihm: „Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal.“
(Matthäus 18, 21f)
Diese Forderung klingt im ersten Moment ungeheuerlich, denn siebenundsiebzigmal vergeben heißt: immer und immer wieder… Jemandem zu vergeben, der uns Schmerz zugefügt hat, der uns zutiefst gekränkt hat, ist nicht einfach und doch mutet uns Jesus das zu.
Katharina (Name wurde geändert) hat diese „Zumutung“ am eigenen Leib erfahren.
Es war vier Uhr morgens, als das Handy klingelte. Das Krankenhaus teilte Katharina mit, dass ihre Mutter im Sterben lag. „Wenn Sie sich von Ihrer Mutter verabschieden möchten, wäre es gut, wenn Sie so schnell wie möglich kommen.“ Katharina betrat das Zimmer ihrer Mutter und blieb vor ihrem Bett stehen. Sie ließ ihr gemeinsames Leben Revue passieren – ein Leben, das bestimmt war von Angst, Kränkungen, finanziellen Problemen, Streit, psychischer Gewalt, Schuldgefühlen, Unnachgiebigkeit, Distanz und Sprachlosigkeit. Die Beziehung zu ihrer Mutter war nie einfach gewesen – der Vater hatte sich schon sehr früh von der Familie getrennt. Katharina, als älteste Tochter, hatte als 10-Jährige sehr viel Verantwortung für die Familie übernehmen müssen und ihrer Mutter doch nichts recht machen können. Nie hatte es ein Lob oder eine Entschuldigung gegeben. Katharina war früh von zu Hause ausgezogen und ihren eigenen Weg gegangen.
Erst in den letzten Jahren, nach dem Schlaganfall der Mutter, waren sie sich wieder etwas nähergekommen, aber über ihre Gefühle, vor allem über ihre Wut, konnte Katharina nicht sprechen. Die Verletzungen und Kränkungen hatten sich tief in ihre Seele eingeschrieben.
Würde sie die Kraft aufbringen können, ihrer Mutter zu verzeihen?
Katharina setzte sich neben ihre Mutter und nahm ihre Hand. Ihre Mutter sah sie an, Tränen füllten ihre Augen und mit einem kaum hörbaren: „Kind, bitte verzeih mir“, schloss sie die Augen. Katharina konnte noch mit einem leisen: „Alles ist gut, Mama“, antworten, bevor ihre Mutter starb. Es war alles gesagt.
Für Katharina war das Vergeben-Können und letztendlich die Versöhnung mit ihrer Mutter ein großes Geschenk. Sie hatte es geschafft, über ihren eigenen Schatten zu springen, konnte ihre Fesseln aus Zorn, Ohnmacht und Selbstmitleid ablegen und durfte dafür eine große Freiheit, eine unbeschreibliche Kraft und eine tiefe Liebe erfahren. Eine Liebe, die größer war als sie selbst.
Untersuchungen zeigen immer wieder, dass das Nicht-Vergeben-Könen negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat.
Aber wie kann Vergebung gelingen? Konkrete Schritte zur Versöhung lesen sie im weiteren Text im Dornbirner Pfarrblatt in der Digitalen Ausgabe
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